Rohöl-Cuvée: Sanktionen & PCK Raffinerie

von , 13.03.2023, 21:26 Uhr

Geht es z.B. bei Wein oder einzelnen Kaffee-Marken darum, einen über Jahre und die verschiedenen Ernten hinweg stets gleichbleibenden Geschmack zu erzeugen, kommt man um eine je nach Jahrgängen verschiedene Mischung von Weinen oder Kaffeebohnen verschiedener Sorten oder Herkunft (Provenienzen) nicht herum.

Cuvée steht für gleichbleibende Qualität

Der bei Wein hierfür verwendete Begriff „Cuvée“ steht deshalb nicht für eine grundsätzlich mindere Qualität (wie es manche „Nicht-Kenner“ gerne behaupten), sondern in erster Linie für einen über Jahre hinweg gleichbleibenden, verlässlichen Geschmack. Und bei Kaffee ist es nicht anders. Die seit vielen Jahrzehnten erhältliche Kaffee-Marke „Jacobs Krönung“ wird z.B. nach manchen Ernten aus mehr als zehn verschiedenen Rohkaffee-Sorten zusammengestellt – und schmeckt deshalb immer gleich.

Ähnlich verhält es sich auch im Rohölbereich, wo je nach Förderregion Öle mit recht unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung auf dem Markt sind. In einer Raffinerie kann deshalb nicht beliebig zwischen verschiedenen Rohölsorten gewechselt werden.

Auch beim Öl kommt es zu einer Vermischung

Die im mitteldeutschen Schwedt ansässige PCK Raffinerie ist deshalb mit ihren gegenwärtigen Produktionsschritten auf das von Russland kommende Öl eingestellt. Und auch dabei handelt es sich nicht um Öl einer einzigen Provenienz. Das umfangreiche russische Pipelinenetz gestattet vielmehr eine Vermischung verschiedener Öle – auch nichtrussischer Herkunft, z.B. aus Kasachstan.

Und während bisher die Frage nach der Ölmischung vorwiegend aus produktionstechnischen Gründen gestellt wurde, kommt seit einigen Wochen auch die Frage nach der Einhaltung der insbesondere von Deutschland gegen russisches Öl verhängten Sanktionsbeschlüsse hinzu. Diese übertreffen die von der Europäischen Union (EU) beschlossenen Sanktionen.

Deutschland will kein russisches Öl mehr importieren … eigentlich

Denn während laut EU der Pipeline-Import von russischem Öl nicht sanktioniert sein soll, hat sich die deutsche Ampel-Regierung selbst verpflichtet, eigentlich gar kein russisches Öl mehr zuzulassen. Blickt man nun auf die für die mitteldeutsche Kraftstoffversorgung wohl unverzichtbare Raffinerie in Schwedt, ergibt sich folgendes Bild:

Die Anlage war bisher produktionstechnisch weitgehend auf die via russischer Pipeline ankommende „Öl-Cuvée“ angewiesen, die zu einem erheblichen Teil aus russischen Ölen besteht. In Polen hat man keine (politischen) Probleme, dieses Öl auch weiterhin abzunehmen und zu verarbeiten. Und nach schnell mit Kasachstan geschlossenen Lieferverträgen (dessen Öl der vorgenannten Cuvée ähnlich ist) wird Schwedt aktuell über den Rostocker Hafen mit angeblich kasachischem Öl versorgt.

Deutschland bekommt rein „kasachisches Öl“

Doch die dabei möglichen Mengen erlauben eine höchstens 50-prozentige Auslastung der Anlage. Das von Polen nicht abgenommene Pipeline-Öl fließt deshalb auch jetzt wieder zumindest teilweise weiter in Richtung Deutschland, wo es nun aber als rein „kasachisches Öl“ abgenommen wird. Die wesentliche Änderung betrifft dabei den Zahlungsweg, der eben nicht mehr direkt nach Russland führt, sondern nach Kasachstan.

Für das Bundeswirtschaftsministerium ist damit den Sanktionsbeschlüssen Genüge getan: „Entscheidend ist, dass es keine weiteren Lieferungen aus Russland gibt, sodass kein Geld nach Russland fließt“, ließ sich hierzu eine Ministeriumssprecherin vernehmen. Ölmarkt-Experten stufen diese Haltung des Ministeriums als „pragmatisch“ ein, sichert sie doch kurzfristig das Überleben der Raffinerie in Schwedt und damit die Kraftstoffversorgung großer Teile Mitteldeutschlands. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

„Solange die Anlage (in Schwedt, die Red.) Rohöl verarbeitet, das über Russland fließt, wird Moskau weiterhin den Hahn zudrehen und die Kraftstoffversorgung Berlins diktieren können“, meint z.B. der für den Energiemarkt zuständige Bloomberg-Analyst Julian Lee. (tb)


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