Auch nach dem Brexit: Die Steueroase London bleibt

von , 18.03.2019, 10:20 Uhr

Der Brexit wird in Brüssel gerne als absehbare wirtschaftliche Katastrophe für Großbritannien dargestellt. Dies wohl nicht zuletzt auch, um mögliche Austrittsüberlegungen anderer EU-Staaten schon im Keim zu ersticken. Denn tatsächlich spricht einiges dafür, daß das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union zumindest für den Finanzplatz London einen Wachstumsschub auslösen könnte. Grund ist die rechtliche Sonderstellung der sogenannten „City of London“.

Es ist ein etwa eine Quadratmeile umfassender Bezirk, in dem die Börse und sämtliche bedeutenden Finanzunternehmen der Stadt angesiedelt sind. Es gibt eine von der restlichen Stadt unabhängige Verwaltung (die City of London Corporation) mit eigenem Bürgermeister, dem Lord Mayor of London. Dieser City-Bezirk ist nämlich eine eigene Grafschaft, die direkt der Königin untersteht. Schon seit dem Mittelalter und bis heute genießt man dort eine Reihe von Privilegien, zu denen u.a. das Recht einer eigenen Steuergesetzgebung zählt. Eine der weltweit bedeutendsten Steueroasen befindet sich damit nicht auf irgendeiner einsamen Insel, sondern im Herzen einer westlichen Metropole.

Und daß dies so bleibt, dafür wird die britische Regierung wohl sorgen, ganz gleich, welcher Couleur sie auch zukünftig sein mag. Man wird schließlich nicht wagen, Londons Stellung als einer der weltweit wichtigsten Finanzmärkte zu gefährden. Dazu gehört auch, die 17 Inselgruppen zu pflegen, die weltweit verstreut noch immer zu Großbritannien gehören und die praktisch alle als Steueroasen gelten. Es gibt dort i.d.R. keine Gewinnsteuern, und ihre Verbindungen zur City of London waren und sind nur als „eng“ zu bezeichnen.

Nun gehörte es seit vielen Jahren zum beinahe täglichen Klagelied der vereinten EU-Finanzminister, sich hinter vorgehaltener Hand über die mitten in London gelegene Steueroase zu empören. Zu laut und zu offenkundig sollte dieser Protest aber im Regelfall auch nicht ausfallen, weil die Vertreter mancher anderer europäischer Staaten dann um eigene Pfründe hätten fürchten müssen. Man denke nur an Irland, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark oder Frankreich, die auf europäischem Boden oder mit Hilfe alter Kolonien für manche steuerliche „Sonderregelung“ sorgten und die aus genau diesem Grund keine EU-einheitlichen Gewinnsteuern wünschen – wenngleich auch die offiziellen Äußerungen manchmal anders tönen. Nach erfolgtem Brexit, das ist sicher, wird die Stellung der City of London als weltweit erster Finanzplatz eher noch eine Stärkung erfahren. Doch das laut zu sagen geziemt sich in der EU natürlich nicht . . . (tb)


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