Besserstellungen bei der Künstlersozialversicherung – bei der Einkommensschätzung wird gerne gemogelt

von , 13.02.2021, 21:08 Uhr

Die Versicherten in der Künstlersozialversicherung genießen, verglichen mit anderen sozialversicherungspflichtigen Gruppen, eine Reihe von Vorteilen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales zeigt wenig Neigung, hieran etwas zu ändern.

Im Jahr 1983 wurde die Künstlersozialversicherung geschaffen, durch die selbständige Künstler und Publizisten in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogen wurden. Voraussetzung ist, dass das jährliche Einkommen aus künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit die Versicherungspflichtgrenze von aktuell 3.900 Euro überschreitet. Maßgeblich ist das voraussichtliche Einkommen des Folgejahres. Die Versicherten der Künstlersozialversicherung schätzen ihr voraussichtliches Einkommen selbst und melden es der Künstlersozialkasse. Das voraussichtliche Einkommen ist die Grundlage für die jährlichen Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Versicherten leisten den halben Beitrag. Die andere Beitragshälfte wird über die Künstlersozialabgabe (30 %), die überwiegend Verlage leisten, und durch einen Zuschuss des Bundes (20 %) erbracht. Im Jahr 2020 beträgt der Mindestbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung insgesamt 93,70 Euro. Als eigenen Anteil haben die Versicherten davon 46,85 Euro zu zahlen. Die Versicherungspflicht endet, wenn die Versicherten ihre künstlerische oder publizistische Tätigkeit aufgegeben haben oder ihr selbst geschätztes Arbeitseinkommen innerhalb von sechs Jahren mehr als zweimal unterhalb der Versicherungspflichtgrenze von 3.900 Euro liegt.

Andere finanzschwache Versicherte zahlen einen höheren Mindestbeitrag      

Seit Jahren weisen Fachleute darauf hin, dass das Mindesteinkommen für Versicherte der Künstlersozialversicherung zu niedrig sei. Für diese Versicherten fällt ein geringerer Mindestbeitrag an als für andere versicherungspflichtige Beitragszahler mit geringem Einkommen, zum Beispiel Studierende, die nicht familienversichert sind. Diese zahlen einen monatlichen Mindestbeitrag von 98,73 Euro, den sie aber vollständig selbst zu tragen haben. Ihre finanzielle Belastung ist damit mehr als doppelt so hoch wie die der Versicherten in der Künstlersozialversicherung, welche ohne sachlichen Grund besser behandelt werden.      

Das zuständige Ministerium will keine Erhöhung der Pflichtgrenze     

Das für den Sozialbereich zuständige Bundesministerium argumentiert, dass die Künstlersozialversicherung dem verfassungsrechtlichen Auftrag diene, Kunst und Kultur angemessen zu schützen und zu fördern. Durch eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze würden diese besonders schutzbedürftigen Versicherten vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Das Sozialministerium will also die Eintrittsschwelle für die Künstler bewusst niedrig halten, damit diese in den Genuss einer Krankenversicherung kommen (darum geht es im Wesentlichen, die zu erwerbenden Rentenansprüche sind bei niedrigen Beiträgen denkbar gering).     

Das wirkliche Einkommen liegt häufig unter der Pflichtgrenze      

Die Künstlersozialkasse kann von ihren Versicherten Angaben und Nachweise über die tatsächlich erzielten Arbeitseinkommen in den vergangenen vier Kalenderjahren verlangen. Diese Angaben erhebt sie durch eine wechselnde jährliche Stichprobe. In ihr werden jeweils 5 Prozent der Versicherten erfasst. Im Jahr 2016 waren etwas mehr als 2.000 Versicherte in der Stichprobe enthalten, die ein voraussichtliches Arbeitseinkommen von bis zu 150 Prozent der Versicherungspflichtgrenze gemeldet hatten. Bei rund einem Drittel dieser Versicherten, die Unterlagen einreichten, unterschritt ihr tatsächliches Arbeitseinkommen gleichwohl in mindestens drei der vier geprüften Jahre die Versicherungspflichtgrenze. Rund 4 Prozent dieser Versicherten erzielten in allen vier geprüften Jahren lediglich 0 bzw. 1 Euro.      

Kein ausreichendes Kontrollsystem      

Überhöhte Schätzungen des voraussichtlichen Arbeitseinkommens des Folgejahres führen nach den geltenden Bestimmungen weder zu finanziellen Folgen noch zur Beendigung der Versicherung. Auch insoweit werden Versicherte der Künstlersozialversicherung mit sehr niedrigem Einkommen gegenüber vergleichbaren Versichertengruppen ungerechtfertigt begünstigt. Ein Kontroll- und Sanktionssystem, das dem ausreichend entgegenwirkt, steht der Künstlersozialkasse bisher nicht zur Verfügung.      

Das Ministerium hält die Einkommensüberprüfung für ausreichend      

Der Anreiz für schlechtverdienende Künstler und Publizisten, bei der Einkommensschätzung zu mogeln, ist beträchtlich. Erhalten sie sich doch auf diese Weise einen vollwertigen Krankenversicherungsschutz, den sie sich ansonsten kaum leisten könnten. Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales dürfte dieser Zusammenhang bekannt sein. Gleichwohl hält das Ministerium die derzeitige Einkommensüberprüfung für ausreichend und will vorerst nichts ändern. Offensichtlich, liebe Leserinnen und Leser, will man den Künstlern und Publizisten den Zugang zur Künstlersozialversicherung unbedingt erhalten, auch wenn häufig falsche Angaben gemacht werden. Dafür hat wenig Verständnis

Ihr
Gotthilf Steuerzahler
www.krisensicherinvestieren.com

Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar

Gotthilf Steuerzahler