Die Primär- und Sekundärsanktionen der USA

von , 08.09.2020, 20:53 Uhr

Im Zuge des „North Stream2“-Konfliktes drohten die USA bekanntlich vor kurzem, dem deutschen Ostseefährhafen Saßnitz massiv zu schaden, wenn dieser weiterhin als logistische Basis für den Pipelinebau dienen sollte. Abgesehen von der Frage, ob eine derartige Drohung unter angeblichen „Partnern“ politisch akzeptabel sein kann, stellt sich auch die Frage, auf welcher Basis die USA überhaupt die angedrohte „Vernichtung“ eines deutschen Unternehmens vollziehen könnten?

US-Sanktionsrecht: Primär- und Sekundärsanktionen

Zur Beantwortung dieser Frage sollte man wissen, daß im US-amerikanischen Sanktionsrecht zwischen Primär- und Sekundärsanktionen unterschieden wird. Primärsanktionen sind danach anwendbar auf US-Bürger und- Unternehmen, Greencard-Inhaber sowie alle Geschäfte, die im US-Hoheitsgebiet oder allein schon auf US-Dollar-Basis abgewickelt werden. Sekundärsanktionen werden für Geschäfte ohne jeden Bezug zu den USA erlassen. Sie können von US-Behörden nicht direkt geahndet werden, weshalb sie in diesen Fällen regelmäßig damit drohen, Unternehmen oder Personen, die sich nicht daran halten, auf die „List of Specially Designated Nations and Blocked Persons“ (SDN-Liste) zu setzen.

SDN-Liste: Liste der weltweit "Aussätzigen"

Wer auf dieser Liste steht, kann sich schnell zu einem weltweit „Aussätzigen“ machen. Denn die USA behalten sich vor, auch jeden anderen, der mit einem dort gelisteten Unternehmen Geschäftsbeziehungen eingeht oder fortführt, ebenfalls in die Liste aufzunehmen. Es ist also die berechtigte Sorge, weltweit isoliert und damit im Extremfall zur Geschäftsaufgabe getrieben zu werden, die immer mehr Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen zur Einhaltung der Sekundärsanktionen treibt, selbst wenn sie keinerlei „US-Beziehung“ haben. Kreditinstitute halten sich darüber hinaus meistens strikt an alle US-Sanktionsbeschlüsse, weil sie durch Dollar-Geschäfte und/oder entsprechende Banklizenzen ohnehin zur Einhaltung der Primärsanktionen verpflichtet sind (und andernfalls Milliardenstrafen riskieren).

Saßnitz droht SDN-Listung

Der Hafengesellschaft von Saßnitz wird also konkret mit einer SDN-Listung gedroht. Sollte es dazu kommen, könnten Banken ihre Kreditlinien widerrufen, Pächter ihre Pachtverträge, Energie- und Telekommunikationsunternehmenihre Leitungen kappen, Reedereien andere Häfen ansteuern und so weiter. Die Hafengesellschaft, die der Stadt und dem Land Mecklenburg-Vorpommern gehört und die darüber hinaus im Bundestagswahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt, dürfte innerhalb kürzester Zeit ruiniert sein.

Natürlich wird das Vorgehen im Rahmen der Sekundärsanktionen von den meisten Rechtsexperten als ganz klar völkerrechtswidrig eingestuft. Doch das stört die US-Administration nicht im geringsten und die meisten Beobachter rechnen auch für den Fall eines baldigen Regierungswechsels nicht mit einem Ende der Zwangsmaßnahmen. In Brüssel und auch Berlin sieht man hierdurch zwar die eigene „Souveränität“ bedroht. Doch noch schreckt man davor zurück, eventuell betroffenen europäischen Unternehmen einen entsprechenden finanziellen Schutz sowie die Sicherstellung des Zahlungsverkehrs für betroffene Geschäfte zuzusagen. (tb)


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