Droht eine Mittelschicht-Revolution?

von , 24.05.2020, 15:18 Uhr

Bereits der französische Historiker und Politik-Wissenschaftler Alexis de Tocqueville (1805 bis 1859) lehrte, daß die Bürger eines Staates in Phasen langen Wohlstandes immer empfindlicher auf Zumutungen reagieren, die sie als ungerecht oder ungerechtfertigt empfinden. Mit anderen Worten: Zu umwälzenden oder gar revolutionären Entwicklungen kommt es oft nicht dann, wenn es den Menschen am schlechtesten geht, sondern wenn es nach einer langen Phase relativen Wohlstandes zu plötzlichen Einbrüchen kommt.

Verlust des gesellschaftlichen Status droht

Hierauf machte der FDP-Bundestagsabgeordnete Marco Buschmann kürzlich in einem Beitrag für den „Spiegel“ aufmerksam. Und er verwies gleichzeitig auf den US-Politologen Samuel Huntington (1927 bis 2008), der die Auffassung vertrat, daß vor allem Angehörige der sogenannten Mittelschicht zur Radikalisierung tendieren, wenn sie fürchten, im Vergleich zu anderen Gruppen ihren gesellschaftlichen Status zu verlieren. Noch, so befand Buschmann zumindest vor einigen Tagen, sei der Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft angesichts der absehbaren wirtschaftlichen Probleme und der sogenannten „Coronakrise“ beeindruckend.

Mittelschicht könnte sich radikalisieren

Doch er fragt sich, wie lange dies noch der Fall sein wird. Wenn die Angehörigen der deutschen Mittelschicht erst einmal feststellen müssen, daß z.B. ihr Betrieb – und damit oft ihr Lebenswerk – pleite ist, der Arbeitsplatz verloren und der Sparplan fast wertlos geworden ist, dann könnten sich nicht wenige von ihnen radikalisieren. Es sind in der Mehrheit Menschen, die über Jahrzehnte hinweg arbeiteten und klaglos dafür sorgten, daß der Staat mit Steuern und Sozialabgaben auskömmlich versorgt wurde, um Infrastruktur, Bildung und „sozialen Ausgleich“ zu finanzieren. Es sind Menschen vom Automechaniker über Polizisten und Lehrer bis hin zu Freiberuflern und Unternehmern, die hierfür fleißig gearbeitet haben.

Revolution liegt durchaus in der Luft

Gleichwohl spielten sie in unserer offenbar oft randgruppenorientierten politischen Landschaft in den letzten Jahren kaum eine Rolle mehr. Man dichtete ihnen die sprichwörtlich „starken Schultern“ an und erwartete, daß sie immer neue „Sozialpakete“ klaglos erarbeiten. Wenn sie nun angesichts einer schweren Krise, die manches Lebenswerk gefährden kann, den Eindruck gewinnen sollten, daß ihre Bedürfnisse und Belange nicht endlich wieder ins Zentrum der deutschen Politik gelangen (mit einer entsprechenden Änderung der Prioritäten) könnte laut Buschmann durchaus „Revolution in der Luft“ liegen. Es sei mit anderen Wortenan der Zeit, wieder mehr an diejenigen zu denken, die viel arbeiten und auch hohe Steuern zahlen! (tb)


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