Frankreich: Marine Le Pen und die Präsidentschaft

von , 28.12.2020, 14:45 Uhr

Die sich in Frankreich für die Zeit nach der Corona-Pandemie abzeichnende Massenarbeitslosigkeit dürfte sich für Präsident Emmanuel Macron noch als eine seiner größten Herausforderungen erweisen. Dies erwarten zumindest immer mehr Beobachter, die oft gleichzeitig auf Macrons offenkundige und bisher weitgehend erfolglose Versuche verweisen, sein weit verbreitetes Image als elitärer Ex-Banker (Rothschild) abzuwerfen.

Präsidentschaftswahl 2022: Marine Le Pen hat gute Chancen

In diesem Szenario werden gleichzeitig der rechtskonservativen Politikerin Marine Le Pen gute Chancen zugesprochen, Macron bei der Präsidentschaftswahl 2022 abzulösen. Bereits im Oktober berichtete z.B. Bloomberg über eine Umfrage, bei der nach damaligem Stand Macron und Le Pen zumindest im ersten Wahlgang mit einem in etwa gleichen Ergebnis hätten rechnen können.

Währenddessen versucht Macron u.a., in Frankreichs Kampf gegen den islamistischen Terror zu punkten. Doch er scheitert dabei zunehmend. Immer mehr Franzosen nehmen ihm dieses Anliegen kaum mehr ab und vermuten statt dessen, daß Frankreichs Regierung – wie andere europäische Machthaber auch – den angeblichen „Kampf gegen den Islamismus“ vor allem nutzt, um damit verbundene Freiheitseinschränkungen für alle zu legitimieren.

Denkfabrik "Carnegier Europe": Marcons stuhl wackelt

Für die Brüsseler Denkfabrik „Carnegie Europe“ dürfte Macrons Stuhl vor allem dann wackeln, wenn das milliardenschwere „Corona-Rettungsprogramm“ der Europäischen Union (EU) scheitern sollte und Le Pen gute Aussichten hätte, die nächste Präsidentschaftswahl für sich zu entscheiden. Für die Europäische Union würden in diesem Fall weitreichende Folgen zu erwarten sein. Die gegenwärtige Entwicklung hin zu einem immer stringenteren Staatengebilde unter Aufgabe mancher nationaler Zuständigkeiten und Freiheiten dürfte dann ihr vorläufiges Ende finden. Le Pen würde auf die Rückübertragung mancher Zuständigkeit drängen und eine Einmischung der EU in manche innere Angelegenheit der Mitgliedsstaaten zu verhindern trachten.

Präsidentin Le Pen könnte die EU verändern

Die o.g. Denkfabrik stellte in diesem Zusammenhang vier Gruppen von Fachleuten jeweils gleicher Nationalität zusammen, die die möglichen Reaktionen der EU auf das Szenario eines Le Pen-Wahlsieges erörtern sollten. Alle kamen zu dem ersten Ergebnis, daß dieses Szenario für die EU an sich „schlimmer“ sein könnte als der Austritt eines weiteren Mitglieds. Die spanischen Fachleute warnten sodann vor einer zu konfrontativen Haltung gegenüber Frankreich. Man sollte Paris lieber so lange wie möglich mit Gesprächen beschäftigen, um damit die Wogen zu glätten. Eine ähnliche Verzögerungstaktik schlugen auch die niederländischen Experten vor. Die deutschen Fachleute empfahlen, sich gegenüber Frankreich mehr denn je auf die Wortlaute der wichtigsten Abkommen (Schengen, Maastricht u.a.) zurückziehen und darauf zu „hoffen“, daß Le Pen nur eine Amtsperiode vergönnt sein möge. Die Experten der Grande Nation selbst verwiesen vor allem auf das weitgehend autonome französische Präsidialsystem, das den jeweiligen Präsidenten zumindest mental auch vor allzu weitgehenden EU-Einflüssen zu schützen vermöge.

In einem entscheidenden Punkt waren sich alle Experten, gleich welcher Nationalität, einig: Sollte Le Pen Präsidentin werden, dürfte am Ende ihrer Präsidentschaft nicht nur ein verändertes Frankreich stehen, sondern auch eine veränderte EU. Dies bleibt objektiv feststellbar – subjektiv zu beurteilen ist dagegen die Frage, ob man dies gut oder eher schlecht fände . . . (tb)


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