Hermesbürgschaften für Türkei-Geschäfte auf dem Prüfstand

von , 08.11.2019, 14:01 Uhr

Um (voraussehbar wirkungslosen) Druck auf die Türkei auszuüben, überlegt man in der Bundesregierung, das bestehende Hermes-Bürgschaftsprogramm für Geschäfte zwischen Deutschland und der Türkei zu überprüfen, einzuschränken oder gar ganz einzustellen. Auf diese Weise glaubt man, ausreichend wirtschaftlichen und dadurch politischen Druck auf Ankaras Führung ausüben zu können, damit diese den Krieg gegen die kurdischen Milizen in Syrien einstellt. Damit offenbaren Berlins Machthaber zugleich, daß sie Teil der „Regime Change-Maßnahmen“ in Syrien und damit aktive Kriegsteilnehmer gegen die Regierung in Damaskus waren und sind. Die kurdischen Milizen sind nämlich Teil der „Regime Change-Koalition“, die nunmehr von den USA und ihren Verbündeten „fallengelassen“ wurde.

Türkei hatte bisher freie Bahn in allen Belangen

Bislang störte man sich nicht daran, daß ganze Landstriche (westlich des Euphrat) besetzt und von durch feindliche Regierungen unterstützte Einheiten übernommen und das dortige Öl gestohlen wurde. Auch an den zig-tausendfach begangenen Völkerrechtsverbrechen an der Zivilbevölkerung, den Vergewaltigungen, Ermordungen und Vertreibungen durch unterstützte Söldner, störten sich Berlins Machthaber bislang nicht. Wenn nun aber die Türkei den Zusammenschluß eines sich bildenden kurdischen Staates vom Norden Iraks über Syrien bis zu kurdisch bewohnten Gebieten in der Türkei verhindern will, plustern sich die Großkoalitionäre in Berlin auf einmal auf. Lieber riskiert man einen politischen Bruch mit dem wichtigsten Partner (sofern man bei der Erdogan-Türkei von einem „Partner“ sprechen mag) zur Verhinderung millionenfacher Flüchtlingsströme nach Europa, Bürgerkriegszustände zwischen Türken und kurdischen Gruppen in Deutschland und erhebliche Unterbrechungen des Handels- und Warenverkehrs mit der Türkei, als den Regime Change-Kräften in Syrien einfach die Gefolgschaft aufzukündigen.

EZB hat türkische Anleihen gestützt

Bis September 2019 bestanden zwar lediglich 788 Mio. Euro Absicherungen über die Hermesbürgschaften, allerdings ist dies nur ein kleiner Teil der zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Aktivitäten. Ohne Hermesbürgschaften sind viele Geschäfte mit der Türkei nicht mehr denkbar, weil das Land in immer größere Währungsturbulenzen, wirtschaftliche Probleme und politische Unsicherheit abrutschen wird. Im Hinblick auf französische und italienische Banken hatten einflußreiche Kräfte in der EZB bisher jedenfalls keinerlei Schwierigkeiten, türkische Anleihen, das Türkeigeschäft der französischen Banken und Anderes über umfangreiche Hilfsmaßnahmen zu stützen. Statt nun auf politischen Frieden und eine Verständigung zu pochen, werden uns die ohnehin schwer umsetzbaren Drohungen aus Berlin nicht etwa den gewünschten Erfolg bescheren, sondern bestenfalls weitere Verstimmungen und ein politisches Abdriften des Balkans. Bisher billigte man in Berlin die jährliche Zahlung milliardenschwerer EU-Beitrittsvorbereitungsgelder an die Türkei. Nun droht man ihr mit dem Ende von Hermesbürgschaften. Wer soll Berlin da noch ernst nehmen? (eh)


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