IWF ließ „Bombe“ platzen – und niemand hörte hin

von , 07.11.2020, 20:53 Uhr

Mitte Oktober ließ auf einer gemeinsamen Tagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) dessen Direktorin Kristalina Georgiewa eine „Bombe“ platzen, was aber von den „großen“ Medien bisher weitgehend ignoriert wurde.

Kündige der IWF einen "neuen Bretton Woods" an?

Mit den Worten, die Welt stehe vor einem „neuen Bretton Woods“ kündigte sie nicht weniger als die mögliche Einführung eines neuen, internationalen Währungs- und Finanzsystems an. Wer nun erwartete, daß sich Weltbank und IWF vor dem Hintergrund immer dramatischerer Schuldenstände auch bei Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ für einen weitreichenden Schuldenschnitt aussprechen würden, hat sich bisher aber getäuscht. Weitgehend zugesagt ist nur die Verlängerung eines bereits bestehenden Schulden-Moratoriums bis Mitte nächsten Jahres. Bis dahin dürften die Schulden – auch die der Industrienationen – weiter steigen und die Lage wird immer bedrohlicher. Den damit drohenden Kollaps will u.a. der IWF mit allen Mitteln verhindern.

Blick in die Vergangenheit für ein Finanzsystem der Zukunft

Der Verweis auf Bretton Woods zeigt genau, worum es dabei eigentlich geht. Man sucht nach Mitteln und Wegen für ein neues Finanzsystem, in dem die USA wieder einmal zum beinahe unbeschränkten „Herrscher“ über die weltweiten Geldströme aufsteigen können. Um dies zu verstehen, lohnt ein Rückblick auf die Konferenz von Bretton Woods. Damals, im Jahr 1944, lag Großbritannien infolge des Zweiten Weltkriegs finanziell am Boden und die Niederlage Deutschlands war ebenso abzusehen wie die Aussicht für die USA, als weltweit größte Wirtschaftsmacht und Gläubiger aus dem Krieg hervorzugehen.

Diese Ausgangslage wollte Washington nutzen, um sein damals größtes wirtschaftliches Problem, eine massive Überproduktion im Inland, anzugehen. Wenn der US-Dollar zur weltweiten Leitwährung würde, so das damalige Kalkül, müssten viele Staaten allein schon deshalb US-Waren kaufen, um ihre Dollar „unterzubringen“ und das Problem der Überproduktion wäre gelöst. In Bretton Woods erklärte man den Dollar deshalb zur Leitwährung, unterlegte ihn (teilweise) mit Gold und band alle anderen wichtigen Währungen zu festen Wechselkursen an ihn. Der wenig später gegründete IWF nahm hierbei zunächst die Rolle eines Überwachers ein und mutierte erst in den 1960er Jahren zu einem Kreditgeber für Staaten. Bis heute wird er von den USA dominiert, die der größte Geldgeber sind und eine Sperrminorität und ein Vetorecht besitzen.

Als im Zuge hoher Kriegskosten (Korea, Vietnam) in den USA die Gelddruckmaschinen heiß liefen, mußten 1971 die Goldbindung und 1973 die festen Wechselkurse aufgegeben werden. Das System von Bretton Woods war damit am Ende. Für eine anhaltend hohe, weltweite Dollarnachfrage sorgte danach eine von dem deutschstämmigen US-Außenminister Henry Kissinger mit Saudi-Arabien getroffene Verständigung, bei der – kurz und knapp gesagt – die Saudis zusagten, ihr Öl nur gegen US-Dollar zu verkaufen, wenn die USA im Gegenzug als ihr „Sicherheitspartner“ auftreten. Allein schon die später rückläufige Dominanz der Saudis auf dem Ölmarkt ließ diese Abmachung bis heute zur reinen Makulatur werden, von den weltweiten politischen und religiösen Veränderungen einmal ganz abgesehen.

Kommt der Krypto-Dollar?

An der engen Zusammenarbeit des IWF mit der US-Zentralbank FED hat sich dagegen bis heute nichts geändert. Während alle Welt nur Augen und Ohren für die Corona-Pandemie hat, wurde bereits am 23.3.2020 der „Banking For All Act“ ins US-Parlamentssystem eingebracht. Damit sollen die Mitgliedsbanken des Fed-Systems bereits ab dem 1.1.2021 verpflichtet werden, ihren Kunden zusätzliche, rein digitale Zentralbankkonten (sog. „Wallets“) anzubieten. Es besteht kaum ein Zweifel daran, daß der Gesetzentwurf alle parlamentarischen Hürden schnell überwinden wird und daß ab Jahresanfang 2021 der „Krypto-Dollar“ Realität wird. Aus Sicht der USA scheint diese Eile geboten zu sein, weil deren großer Handelspartner (und Konkurrent) China ebenfalls an einer eigenen, rein elektronischen Währung arbeitet. Wer hier der Schnellere ist, sagen viele Experten, hat gute Chancen zum Weltmarktführer aufzusteigen. Sollte den USA dies gelingen, könnte der „Tod“ des Dollar noch für einige Zeit hinausgezögert werden … (tb)


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