Neue Eurokrise schon in 2021?

von , 21.12.2020, 21:53 Uhr

Analysten mehrerer Denkfabriken fürchten, daß bereits das kommende Jahr von einer neuen europäischen Schulden- und Bankenkrise gekennzeichnet sein könnte. Zur eigentlich schon für dieses Jahr erwarteten Insolvenzwelle wird es zwar nicht kommen (wegen der teilweisen und befristeten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht), doch in 2021 würde sich das wahre Ausmaß der bis jetzt eingetretenen Schäden umso deutlicher zeigen, meinen beispielsweise die Autoren des deutschen Portals „German-Foreign-Policy“.

Ausfallgefährdete Kredite könnten auf 1,45 Billionen Euro steigen

Im November warnte auch die Europäische Zentralbank vor den möglicherweise fatalen Folgen der in vielen Ländern beschlossenen Corona-Hilfsmaßnahmen. Ließe man diese zu früh auslaufen, nähme man den betroffenen Unternehmen die Luft zum Atmen und jede Chance auf Erholung. Würden sie dagegen zu lange aufrechterhalten, schüfe man immer mehr „Zombie-Unternehmen“, die auf staatliche Unterstützung angewiesen bleiben und bei denen jeder Monat des Fortbestehens die letztendliche Schadenssumme nur noch erhöht. Schlimmstenfalls könnte sich dann das Volumen der akut ausfallgefährdeten Kredite in den Bilanzen der europäischen Banken von aktuell 500 Mrd. € auf bis zu rund 1,45 Billionen € nahezu verdreifachen. Die Frage nach dem Vorgehen bei zukünftigen Bankzusammenbrüchen im Euroraum liegt deshalb wieder einmal auf der Hand.

"Bail in-Klausel" soll konsequent durchzusetzt werden

Zusammen mit einigen Wirtschaftsexperten kommt man beispielsweise in einer entsprechenden Studie der Bertelsmann-Stiftung zu der Forderung, die „Bail in-Klausel“ möglichst konsequent durchzusetzen. Sie geht in ihrem Kern auf eine Forderung des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zurück, der im Jahr 2013 für die Liquidation zypriotischer Banken verlangte, daß zur Abdeckung der Schadenssumme in erster Linie keine Steuergelder verwendet werden dürfen, sondern vor allem die Einlagen der jeweiligen Bankgläubiger (sofern diese die von den Sicherungsfonds „garantierten“ Summen übersteigen) sowie die Forderungen der Anleihegläubiger.

Diese Regel wurde bei wenig später auftretenden Insolvenzen einiger kleinerer italienischer Bankhäuser recht konsequent angewandt mit der Folge des Selbstmords mehrerer dadurch um ihr kleines Vermögen gebrachter Bankkunden. Bei späteren Bankkrisen fand man in Rom deshalb immer wieder „kreative“ Wege, die auftretenden Probleme doch wieder mit Steuergeldern zu lösen oder zumindest zu überdecken. Es läge nun an der Politik, diese „Schlupflöcher“ möglichst schnell zu schließen, doch bisher herrscht in dieser Hinsicht weitgehendes „Schweigen im Walde“ …

Gesamteuropäische Einlagensicherung ist noch nicht vermittelbar

Die Idee einer Bankenunion – bei der also alle europäischen Bankkunden in eine gemeinsame Haftung gezwungen werden sollen – wird dagegen Stück um Stück vorangetrieben und muß als in Teilen bereits realisiert angesehen werden. Einzig ihr eigentliches Kernstück, die Schaffung einer gesamteuropäischen Einlagensicherung, wird unter anderem von der deutschen Regierung noch verhindert. Man weiß in Berlin nur zu genau, daß die damit verbundene Haftung des Deutschen Michels für in anderen Ländern begangene Fehler auf nur wenig Verständnis träfe. Gleichwohl scheint die Zeit zu drängen, man kennt schließlich die besorgniserregende Entwicklung bei den ausfallgefährdeten Krediten (siehe oben). Um ein Auseinanderbrechen des Kunst-Währungsverbundes „Euro“ im Falle größerer Banken-Schieflagen in Südeuropa oder andernorts zu minimieren, baute man nun den ESM-Fonds zu einer steuerfinanzierten „Verteidigungslinie“ auch in diesem Bereich aus.

In der Tat „bemerkenswert“ ist die entlarvende Forderung der Autoren der Bertelsmann-Studie, die Bankguthaben von Unternehmen und Großkonzernen von einer Beteiligung an Bankenabwicklungen auszunehmen, weil es sich dabei „häufig um die nötigen Mittel für den laufenden Betrieb einer Firma“ handele. Ein erhöhter Schutz großer Unternehmenseinlagen würde, und da ließen die Bertelsmann-Autoren die Katze aus dem Sack, es den Regulierungsbehörden zudem erleichtern, einen „Schuldenschnitt bei den übrigen Bankgläubigern“ – also den zahlreichen Kleinsparern und Privatkunden – vorzunehmen. (tb)


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