Südafrika: Punktesystem gefährdet weißen Mittelstand

von , 30.12.2019, 14:09 Uhr

Seit weitaus mehr als einem Jahrzehnt gibt es in Südafrika die sogenannten B-BBEE-Programme (Broad-Based Black Economic Empowerment (kurz B-BBEE oder BBBEE; deutsch etwa „Breit angelegte wirtschaftliche Stärkung von Schwarzen“), mit denen die Teilhabe der schwarzen Bevölkerung – und anderer, nicht-weißer Bevölkerungsteile – an der Wirtschaft des Landes gezielt gefördert werden soll. Inzwischen werden hierzu unter den in Südafrika tätigen Unternehmen, gleich welcher Herkunft sie sind, sogenannte B-BBEE-Statuspunkte verteilt, mit denen die Teilhabe der von der früheren Rassentrennung benachteiligten Bevölkerungsgruppen an den jeweiligen Betrieben gemessen wird.

Wenige Statuspunkte = Weniger Aufträge

Es geht dabei u.a. um die Eigentumsverhältnisse, die Zusammensetzung der Unternehmensleitung, Ausbildungsfragen, die Auswahl der Lieferanten und nicht zuletzt auch um die Spendenbereitschaft für die in diesem Zusammenhang als wichtig erachteten Projekte. Unternehmen, die zu wenige Statuspunkte erreichen, laufen nicht nur Gefahr, von staatlichen Aufträgen ausgeschlossen zu werden, sondern sie können auch wichtige Kontakte zu anderen Geschäftspartnern verlieren. Denn auch die „richtige“ Auswahl der Geschäftspartner kann wichtige Statuspunkte bringen.

Den in Südafrika tätigen Großkonzernen (bzw. deren Niederlassungen) fällt der Umgang mit diesen Regeln noch vergleichsweise leicht, weil sie u.a. die Möglichkeit haben, über eine gezielte Vergabe von Mitarbeiterbeteiligungen (z.B. Aktien) an ehedem benachteiligte Gruppierungen Punkte zu sammeln. So wurden bereits im Jahr 2012 etwa 15 % der Anteile der südafrikanischen Siemens-Niederlassung den damals rund 700 schwarzen Mitarbeitern geschenkt. Mittelständische Unternehmen haben diese Möglichkeit im Regelfall nicht und die Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse rückt immer mehr in den Fokus der südafrikanischen Behörden, wie man auch im Bundesaußenministerium weiß.

Deutsche Mittelständer bereiten Rückzug vor

Deutsche Mittelständler, die in Südafrika engagiert sind, gehen nach Aussage eines Südafrika-Experten, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, mit den immer schwierigeren Rahmenbedingungen verschieden um. Manche gehen Beteiligungsmodelle ein (z.B. über Stiftungen), andere hoffen, daß es schon nicht so schlimm werden wird und wiederum andere bereiten sich auf einen Rückzug aus dem Land vor. Vor allem Letztere verweisen immer häufiger auf politische Bestrebungen zur Ermöglichung auch entschädigungsloser Enteignungen, wie es sie beispielsweise ab dem Jahr 2000 bereits in Simbabwe gab. Zwar spricht nach wie vor nichts für möglicherweise bevorstehende, entschädigungslose Landenteignungen in Südafrika, heißt es hierzu immer wieder. Aber bezüglich der Frage, wie man Eigentumsrechte in Südafrika sichern kann, steigen gleichwohl die Unsicherheiten.

Die Vorgaben von B-BBEE führten in Südafrika darüber hinaus auch schon einmal zu einem von der anderen Seite betriebenen Streik. Es waren weiße Arbeiter, die ihrer Firma vorwarfen, ein Bonusprogramm nur für ihre schwarzen Kollegen vorzuhalten. Sie konnten dabei auf die Rückendeckung des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu bauen, der bereits im Jahr 2004 die einseitige B-BBEE-Bevorzugung nichtweißer Arbeitnehmer als neue Art der Diskriminierung kritisierte! (tb)


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