Volksparteien?

von , 21.07.2021, 15:34 Uhr

Eine Volkspartei darf sich nicht zuletzt deshalb Volkspartei nennen, weil sich in ihr ein recht breites Spektrum aus dem Volk widerspiegelt. Der linke Rand der CDU steht dabei weiter links als der rechte Rand der SPD und so weiter und so fort. Und der Begriff „Rand“ führt sogleich vor Augen, daß die Vertreter dieser „Ränder“ wohl kaum politische Allerweltsmeinungen vertreten können. Sie geben im Gegenteil in vielen Fällen Meinungen von sich, die einer Mehrheit ihrer jeweiligen Parteifreunde nicht schmecken können. Doch wir leben in einer Gesellschaft, die dies aushalten muß und es auch kann. Gleiches gilt für die sogenannten Volksparteien.

An der Grenze des Sagbaren

Die Realität sieht indes vollkommen anders aus. Man denke nur an Thilo Sarrazin (SPD), Boris Palmer (Grüne), Sahra Wagenknecht (Linkspartei) oder Hans-Georg Maaßen (CDU), die aus Sicht ihrer jeweiligen Parteifreunde bis an die Grenze des für sie Sagbaren gingen, und die dafür umgehend der Zorn ihrer politisch allzu korrekten Parteifreunde traf oder noch trifft.

Niemand dieser Parteifreunde muß die von „Sarrazin & Co.“ jeweils vertretenen Auffassungen teilen. Doch solange dabei der Rahmen unseres Grundgesetzes und der ergänzenden Regelungen nicht gesprengt wird, sollten und müssen sie hingenommen werden. Und statt sich über „Sarrazin, Maaßen & Co.“ aufzuregen, sollte man in den betreffenden Parteien lieber einmal darüber nachdenken, warum deren Äußerungen überhaupt fielen und dann auch noch auf einen teilweise fruchtbaren Boden?

Jede unliebsame Meinung wird abgebügelt

Nehmen wir einmal Maaßens kürzliche Kritik am Linksdrall des von uns allen bezahlten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es ist mal besser und mal schlechter – doch Teile z.B. der ARD-Tagesschau wirken über manche Strecken tatsächlich wie von einem Regierungssprecher geschrieben und an anderen Stellen scheinen gelehrige Schüler von Marx und Engels den Stift geführt zu haben. Natürlich, und das sei in aller Deutlichkeit gesagt, ist auch dieser Eindruck rein subjektiver Natur und es wird kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhoben. Und Maaßens Idee, die Redakteure – kurz gesagt – einem Ideologiecheck zu unterziehen, dürfte auch keine Lösung sein. Doch darf man den dahinterstehenden Menschen deshalb gleich verteufeln?

Nein, „Sarrazin, Maaßen & Co.“ stehen vielleicht am Rand ihrer jeweiligen Parteien, aber sie gehören zum Querschnitt unserer Gesellschaft, den jede Partei, die hinter sich breite Bevölkerungsschichten vereinen möchte, auch zu ertragen hat. Was wären die SPD ohne Mitglieder wie Sarrazin, die CDU ohne Maaßen, die Grünen ohne Palmer oder die Linkspartei ohne Wagenknecht? Sie alle wären noch mehr als ohnehin schon auf Linie gebracht und FAZ-Herausgeber Jasper von Altenbockum brachte sogar das in diesem Zusammenhang böse Adjektiv „sauber“ ins Spiel.

Umgang mit Abweichlern erinnert an Säuberungsaktionen

Ja, der Umgang mit den vorgenannten und anderen Abweichlern kann in Teilen durchaus an Säuberungsaktionen erinnern, die – das kommt noch hinzu – manchmal nicht nur die Delinquenten selbst, sondern auch deren Familien betreffen. Es sind Aktionen, die von Politikern vielleicht nicht immer gutgeheißen, die aber auch nicht verurteilt werden. Während man an anderer Stelle nicht müde wird, Rücksicht, Toleranz und Zusammenhalt zu fordern. Es sind Politiker, die – wie kürzlich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) – angesichts einer grausamen Messerattacke in Würzburg ihrem pflichtgemäß ausgesprochenen Mitgefühl für die Opfer und deren Angehörige sogleich den Hinweis folgen lassen, daß es doch kaum hinnehmbar sei, daß der in Deutschland nur geduldete und bereits strafrechtlich in Erscheinung getretene mutmaßliche Täter über sechs Jahre in einer Obdachlosenunterkunft wohnen mußte. Man kann sich deshalb nicht mehr des Verdachts erwehren, daß hier manche Maßstäbe sehr durcheinander geraten sind. (tb)


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