Wie arbeiten eigentlich unsere Steuerschätzer?

von , 28.10.2018, 15:15 Uhr

Bald ist es wieder soweit, Anfang November wird der Arbeitskreis Steuerschätzung seine Prognose der künftig zu erwartenden Steuereinnahmen vorlegen, worüber die Medien ausführlich berichten werden. In den letzten Jahren gab es nur eine Richtung bei der Schätzung des erwarteten Steueraufkommens: Die Einnahmen werden steigen. Immer neue Höchstwerte wurden errechnet, die dann von der realen Entwicklung sogar noch übertroffen wurden. Diesmal mehren sich die Anzeichen, dass der Höhepunkt erreicht sein könnte und keine neuen Rekorde aufgestellt werden.

Der Arbeitskreis Steuerschätzungen, der seine Ergebnisse im Mai und im November vorlegt, ist ein Beirat beim Bundesministerium der Finanzen. Er besteht seit 1955 und soll eine möglichst objektive Einschätzung der Steuereinnahmen der kommenden Jahre geben. Ihm gehören neben dem federführenden Bundesfinanzministerium das Bundeswirtschaftsministerium, fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, das Statistische Bundesamt, die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Vertreter der 16 Länderfinanzministerien und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände an. Den Vorsitz des Arbeitskreises hat ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums. Die Ergebnisse der Steuerschätzung sind von großer Bedeutung für die Haushaltsplanung von Bund, Ländern und Gemeinden. 

Vorgehensweise des Arbeitskreises      

Für die Sitzungen des Arbeitskreises erstellen acht Mitglieder, nämlich die Wirtschaftsforschungsinstitute, die Bundesbank, der Sachverständigenrat und das Bundesfinanzministerium unabhängig voneinander eigene Schätzvorschläge für jede der vielen Einzelsteuern. Diese Schätzvorschläge sind Gegenstand der Diskussion im Arbeitskreis. Der Arbeitskreis erörtert jede Steuer solange, bis ein Konsens erreicht worden ist, der von allen mitgetragen werden kann. 

Das kann lange dauern, es gibt weder einen Mehrheitsbeschluss noch eine Durchschnittsberechnung. Auf der Grundlage der Einzelsteuerschätzungen werden dann die auf Bund, Länder, Gemeinden (und neuerdings auch die EU) entfallenden Einnahmen ermittelt. Den Mitgliedern des Arbeitskreises Steuerschätzungen wird kein verbindliches Prognoseinstrumentarium vorgegeben. Diejenigen Mitglieder, die eigene Schätzvorschläge erstellen, erarbeiten diese mit eigenen Methoden und Modellen.   

Große Bedeutung der konjunkturellen Entwicklung      

Besonders wichtig für die Tätigkeit der Steuerschätzer sind die beiden Steuern mit dem höchsten Aufkommen. Das sind die Umsatzsteuer (erwartetes Ergebnis für 2018: 235 Milliarden Euro) sowie die Lohnsteuer (voraussichtlich 206 Milliarden Euro). Diese beiden Steuern machen schon mehr als die Hälfte der gesamten jährlichen Steuereinnahmen aus (im laufenden Jahr voraussichtlich 772 Milliarden Euro).

Diese beiden Steuern reagieren besonders stark auf die konjunkturelle Entwicklung. Deshalb sind die Annahmen über das erwartete Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Tätigkeit des Arbeitskreises von allergrößter Bedeutung. Der Arbeitskreis muss bei seinen Schätzungen von der offiziellen Prognose der Bundesregierung über die voraussichtliche Entwicklung des BIP ausgehen. Die Treffsicherheit der Steuerschätzer hängt somit entscheidend vom Zutreffen der BIP-Prognose ab.      

Prognosegenauigkeit      

Der Arbeitskreis Steuerschätzung bemüht sich sehr darum, möglichst genaue Schätzungen vorzulegen. Im Laufe der Jahre haben sich bei vielen Steuern Erfahrungswerte herauskristallisiert, welche eine recht genaue Vorhersage erlauben. Für die Mehrwertsteuer und die Lohnsteuer lässt sich sagen, dass sie im Vergleich mit dem Wirtschaftswachstum überproportional zulegen. Bei gut laufender Konjunktur beträgt ihr Anstieg etwa das Doppelte des BIP-Wachstums. 

Bei vielen anderen Steuern ist die Prognose schwieriger. Bei diesen Steuern werden die Daten über die Kasseneingänge des laufenden Jahres vorsichtig in die Zukunft fortgeschrieben. Insgesamt ist die Prognosegenauigkeit recht gut, auch wenn in den letzten Jahren die tatsächliche Entwicklung die Vorhersagen übertroffen hat. Wegen immer wieder auftretender methodischer Zweifelsfragen führt der Arbeitskreis in unregelmäßigen Abständen zusätzliche Methodensitzungen durch, insbesondere im Vorfeld von Steuerrechtsänderungen.      

Verzahnung mit der Haushalts- und Finanzplanung   

Die Bundesregierung benötigt die Zahlen aus der Steuerschätzung sowohl für ihre Mittelfristige Finanzplanung als auch für die Aufstellung ihrer Haushalte. Für die Länder und Gemeinden gilt dies ebenfalls. Deshalb sind die Zeitpunkte für die Sitzungen des Arbeitskreises so gewählt, dass sie in den Haushaltskreislauf passen. Die Schätzung im Mai erlaubt es, abgesicherte Zahlen in den Haushaltsentwurf des kommenden Jahres aufzunehmen. Die Ergebnisse der Novembersitzung machen es dann möglich, die Zahlen im Haushaltsentwurf des kommenden Jahres nochmals anzupassen. Parallel dazu wird jeweils die Mittelfristige Finanzplanung fortgeschrieben.      
                              
Regionalisierung der Schätzergebnisse für die Bundesländer      

Die Schätzungen für das gesamte Bundesgebiet können nicht ohne weiteres auf die Bundesländer oder gar die Gemeinden übertragen werden. Zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es große Unterschiede in Bezug auf die Wirtschaftskraft und das davon abhängige Steueraufkommen. Es muss also eine Regionalisierung vorgenommen werden. Für diesen Zweck hat der Arbeitskreis einen Unterausschuss gebildet, der die Besonderheiten jedes Bundeslandes berücksichtigt. 

Eine Aufteilung der Schätzergebnisse auf einzelne Gemeinden ist bei der Vielzahl der Kommunen nicht möglich. Die kommunalen Spitzenverbände, die Mitglied im Arbeitskreis sind, stellen den Gemeinden jedoch Informationen über Tendenzen der Aufkommensentwicklung beispielsweise der Lohn- und Einkommensteuer zur Verfügung, die den Finanzplanungen der Kämmerer als Orientierungshilfe dienen.      

Wie wird sich die Konjunktur entwickeln?      

In den letzten Monaten haben sich die Zweifel gemehrt, ob sich die positive konjunkturelle Entwicklung der letzten Jahre und damit die Rekordeinnahmen bei den Steuern weiter fortsetzen werden. Die Bundesregierung hat ihre Einschätzung des zukünftigen Wirtschaftswachstums vor dem Hintergrund von zunehmenden politischen Unsicherheiten schon etwas zurückgenommen. 

Die deutlichen Warnsignale, die inzwischen von den Finanzmärkten kommen, deuten sogar darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit eines Konjunkturabschwungs deutlich zugenommen hat. Wenn sich die Weltwirtschaft tatsächlich am Beginn eines Abschwungs befinden sollte, werden die Steuereinnahmen deutlich hinter den Schätzungen zurückbleiben. Bisher war es immer so, dass die Steuerschätzer bei anspringender Konjunktur die Entwicklung des Steueraufkommens unterschätzten und bei einem konjunkturellen Abschwung den daraus resultierenden Einbruch der Steuereinnahmen nicht rechtzeitig erkannten. Man wird sehen, liebe Leserinnen und Leser, wie die Dinge sich entwickeln und ob es mit der Steuerseligkeit der öffentlichen Hand so weiter geht wie bisher, sagt skeptisch

Ihr
Gotthilf Steuerzahler

Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar

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