Wirecard: Scholz‘ Spielfilmrolle

von , 04.08.2020, 22:07 Uhr

Die Pleite des Zahlungsdienstleisters Wirecard weist – so viel schwarzer Humor darf sein – zahlreiche filmreife Elemente auf. Es gibt einen wohl nach Russland geflohenen Vorstand unter Spionageverdacht, bis in das Bundeskanzleramt reichende politische Netzwerke, kriminelle Manager, einen Milliardenschaden für die Aktionäre – und einen Bundesfinanzminister, der vielleicht mehr wußte, als er heute zugeben mag und der auf jeden Fall „unglücklich“ agierte. Weil genau dieser Mann, Olaf Scholz, einer der möglichen SPD-Kanzlerkandidaten ist, werden nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch die Union in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder Salz in die sich auftuenden Wunden streuen.

BaFin verfügte Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien

Und es gibt etliche Blessuren. Scholz‘ größtes Problem ist derzeit das in 2019 von der dem Finanzministerium nachgeordneten Bankenaufsicht BaFin verfügte Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien. Die Bankenaufseher trauten damals (zumindest aus heutiger Sicht) viel zu sehr den Beteuerungen des Wirecard-Managements, daß die immer wieder aufkommenden Meldungen über Bilanz-Unregelmäßigkeiten (was den Kurs drückte und Leerverkäufe reizvoll machte) jeder Grundlage entbehren würden. Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies (ein ehemaliger Goldman Sachs-Banker) hinterfragten wohl viel zu wenig, was die BaFin in diesem Zusammenhang tat und sie versuchten offenbar auch nicht, Informationen aus erster Hand einzuholen.

Stattdessen war Kukies Gast auf der Feier des 50. Geburtstages des Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun. Worüber und mit wem er dort sprach, ist ungewiß. Die Aussagen hierzu sind schwammig und (Gedächtnis-)Protokolle gibt es nicht.

SPD ist bereits im Wahlkampfmodus

Weil Scholz einer der möglichen SPD-Kanzlerkandidaten ist, geht nun die während der heißen Phase der Corona- Krise noch demonstrativ gepflegte Einigkeit in der Großen Koalition (GroKo) dahin. Den meisten Unions-Granden ist dabei die gegenwärtige Konzentration auf Scholz sehr recht. Gibt dies den Unionsparteien doch noch ein wenig Zeit bei der Klärung der eigenen Kanzlerkandidatenfrage. In der SPD schaltet man dagegen bereits in den Wahlkampfmodus. Das zeigt sich u.a. im Verhalten des bisher „obersten Scholz-Gegners“ Kevin Kühnert, der kritischen Fragen zu diesem Bereich geradezu ausweicht. Und auch das SPD-Vorsitz-Duo hält den Mund. Das ist ungewöhnlich und taugt noch nicht zum Filmdrehbuch. Aber das kann – und wird – sich bestimmt noch ändern . . . (tb)


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