Zu viele Arbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen

von , 17.09.2018, 11:09 Uhr

Bei Behörden, Gerichten und anderen staatlichen Einrichtungen werden seit einigen Jahren zunehmend Organisationsuntersuchungen durchgeführt. Es handelt sich dabei um systematische Betrachtungen von Organisationen oder Teilen von Organisationen mit dem Ziel, die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Schwerpunkte von Organisationsuntersuchungen sind die Aufgaben, Prozesse, Strukturen sowie der Personalbedarf der betreffenden Einrichtung.

Im Rahmen der Aufgabenkritik wird zunächst der Aufgabenbestand darauf untersucht, ob bestimmte Teilleistungen überhaupt noch oder im derzeitigen Umfang erforderlich sind. Danach werden die Abläufe in der Regel mit dem Ziel der Kostensenkung analysiert. Darauf aufbauend werden dann Vorschläge für die zukünftige organisatorische Gliederung gemacht sowie das zur Aufgabenerfüllung erforderliche Personal ermittelt.

Im staatlichen Bereich geht es bei Organisationsuntersuchungen regelmäßig um die Auflösung oder Zusammenfassung von Behörden und sonstigen Einrichtungen. Allerdings ist der Übergang vom bisherigen in den optimierten Zustand nicht einfach, tendenziell ist mit Widerständen aus dem politischen Raum sowie mit zusätzlichen Aufwänden während der Umstellungsphase zu rechnen. Ist der zu erwartende Nutzen nur gering oder können die Optimierungspotentiale auf andere Weise realisiert werden, ist es häufig klüger, von groß angelegten organisatorischen Änderungen abzusehen. 

30 Arbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen      

Vor kurzem fand eine Organisationsuntersuchung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen statt, wobei die richterliche Tätigkeit nicht Gegenstand der Untersuchung war. In dem Bundesland mit rund 18 Millionen Einwohnern gibt es drei Landesarbeitsgerichte und 30 Arbeitsgerichte. Die Standorte der Arbeitsgerichte sind unregelmäßig in der Fläche des Landes verteilt. Während im Ruhrgebiet mehrere Arbeitsgerichte im Abstand von wenigen Kilometern angesiedelt sind, decken beispielsweise die Arbeitsgerichte im Bezirk Köln deutlich größere Einzugsgebiete ab. Der Personalbestand je Arbeitsgericht ist sehr unterschiedlich, er bewegte sich zwischen sieben und 59 Bediensteten.   

Kleine Arbeitsgerichte sind unwirtschaftlich   

Wie nicht anders zu erwarten kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen Defizite aufweist. Die derzeitige, überwiegend kleinteilige Organisationsstruktur führe zu einem hohen Personal- und Koordinierungsaufwand im administrativen Bereich. Für gleiche Aufgaben werde in allen 30 Arbeitsgerichten Personal vorgehalten, wobei für jede Aufgabe Basiswissen aufgebaut werden müsse. Dies betreffe beispielsweise die Bereiche Personalverwaltung für Tarifbeschäftigte oder die IT-Unterstützung. Die Kosten für die Einrichtung von Sicherheitsschleusen, Sitzungssälen, Serverräumen sowie für die Wartung, Reparatur und ggf. Ersatzbeschaffung von technischen Einrichtungen fielen weitgehend unabhängig von der Zahl der Nutzer bzw. Nutzungen an. Insgesamt benötigten kleine Arbeitsgerichte verhältnismäßig mehr Personal für administrative Aufgaben als große Arbeitsgerichte.      

Der Gutachter schlägt die Zusammenfassung von Arbeitsgerichten vor      

Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit hat der Gutachter die Schaffung größerer Organisationseinheiten durch die Zusammenlegung von Arbeitsgerichten empfohlen. Dort, wo Standorte wegfallen, sollten Gerichtstage eingerichtet werden, um die bürgernahe Rechtsprechung in der Arbeitsgerichtsbarkeit zu erhalten. Im Ergebnis hat der Gutachter insgesamt 16 statt 30 Arbeitsgerichte für ausreichend erachtet. Das in den aufzulösenden Arbeitsgerichten vorhandene Personal könne zunächst an den bisherigen Standorten verbleiben, Neueinstellungen sollten jedoch ausschließlich an den neuen Standorten erfolgen.

Das Justizministerium will keine Gerichtsstandorte aufgeben      

Das Justizministerium in Düsseldorf hat dazu ausgeführt, dass es gegenwärtig nicht beabsichtige, die Arbeitsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen durch Aufgabe von 14 Gerichtsstandorten neu zu gliedern. Dem Ministerium sei dabei sehr bewusst, dass diese Gerichtsbarkeit organisatorisch vergleichsweise breit aufgestellt sei. Dies gelte sowohl bei einer landesinternen Betrachtung als auch im Ländervergleich. Die bevorstehende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte stelle allerdings eine große, auch personelle Herausforderung für die Justiz dar. Dies lasse das Justizministerium davon Abstand nehmen, in der Arbeitsgerichtsbarkeit zeitgleich ein gerichtsorganisatorisches Großprojekt über viele Jahre durchzuführen. Den vom Gutachter aufgezeigten Defiziten werde mit einer Fortführung der bereits eingeleiteten umfassenden Aufgabenkritik sowie der innerorganisatorischen Anpassung der Abläufe begegnet.

Dem Justizministerium ist zuzustimmen   

Bei Organisationsuntersuchungen von staatlichen Einrichtungen kommt es häufig vor, dass die politisch Verantwortlichen davor zurückschrecken, die Empfehlungen der Gutachter umzusetzen. Wegen der zu erwartenden Widerstände gegen Behördenschließungen werden solche Vorschläge gerne unter allerlei Vorwänden auf die lange Bank geschoben. Im vorliegenden Zusammenhang muss man aber dem Justizministerium in Düsseldorf recht geben, dass die Reorganisation der Arbeitsgerichtsbarkeit bei gleichzeitiger Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte die Betroffenen überfordern und die Arbeitserledigung gefährden könnte. Zumal die festgestellten Defizite im administrativen Bereich zum Teil auch durch eine verstärkte Zusammenarbeit der Arbeitsgerichte behoben werden können. Es bleibt abzuwarten, liebe Leserinnen und Leser, ob die zugesagte Aufgabenkritik sowie die innerorganisatorische Optimierung der Arbeitsabläufe auch tatsächlich stattfinden, sagt nachdenklich
Ihr
Gotthilf Steuerzahler

Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar

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