Chinas Führung stellt die Umverteilungsfrage

von , 21.09.2021, 14:22 Uhr

Wer in Chinas Küstenmetropolen nach „exzessivem Luxus“ sucht, findet diesen deutlich zur Schau gestellt u.a. in Pekings Ausgehmeile, wo sich die Geschäfte der üblichen Luxusmarken aneinanderreihen und auf der Straße italienische Luxuskarossen oft eine Schlange bilden.

600 Millionen Chinesen leben von 130 EUR pro Monat

Bei diesen Bildern kann man schnell vergessen, daß nach offiziellen Regierungsangaben noch rund 600 Millionen Chinesen mit umgerechnet weniger als 130 € monatlich leben müssen. Staatschef Xi Jinping kündigte deshalb in einer kürzlichen Grundsatzrede an, daß man hohe Einkommen zukünftig weitaus höher besteuern und finanziell gut ausgestattete Unternehmen (auch sogenannte Joint-Ventures mit westlichen Partnern!) „ermutigen“ werde, „mehr an die Gesellschaft zurückzugeben“.

Mit anderen Worten: China stellt mit einer seit Jahrzehnten nicht mehr wahrnehmbaren Deutlichkeit die Umverteilungsfrage. Vom früheren Credo, daß man im Sinne des Ganzen auch einigen Leuten erlauben müsse, „äußerst reich zu werden“, ist nichts mehr zu spüren. Während es der chinesischen Führung über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg vor allem um hohe Wirtschaftswachstumsraten ging (damit die Wirtschaftsleistung überhaupt mit der zunächst noch steigenden Bevölkerungszahl schritthalten konnte), wird nun die Umverteilungsfrage in aller Deutlichkeit gestellt.

Reich werden durch harte Arbeit und Innovationen

Hierzu ist zwar noch nichts Genaues bekannt, aber versierte Pekinger Beobachter gehen u.a. von der Möglichkeit einer neuen Immobiliensteuer und stark erhöhten Abgaben für Kursgewinne bei Aktien aus. Die nun angestoßene Umverteilungsdebatte, darauf legt Xi großen Wert, dürfe aber nicht zu der Fehlannahme führen, daß man in Peking ab sofort jedes Leistungsprinzip ablehne. Man müsse die Chinesen vielmehr noch mehr als bisher ermutigen, hieß es, „durch harte Arbeit und Innovation reich zu werden“.

Xis neue Töne haben aber wohl auch einen wahltaktischen Hintergrund. Er würde im Jahr 2022 als erster chinesischer Staatschef nach Mao durch das dafür zuständige Gremium gerne für eine dritte Amtszeit „gewählt“ werden. Während Xi in der Unternehmerelite seines Landes als eher umstritten gilt, genießt er beim einfachen Volk große Sympathien, vor allem wegen seiner Anti-Korruptionsmaßnahmen. Auch die aktuellen und eher harschen Umverteilungstöne dürften beim einfachen Volk auf offene Ohren stoßen. (tb)


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