30 Jahre nach der Wiedervereinigung – Neue Sprache, altes Schema

von , 21.10.2020, 15:39 Uhr

Nach 30 Jahren deutscher Einheit analysierte nun die frühere Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld die nach ihrer Auffassung größten Fehler, die beim Wiedervereinigungsprozeß gemacht wurden.

SED wurde Parteivermögen entzogen

Der Kardinalfehler war nach ihrer Ansicht, daß die die gesamte „DDR“ beherrschende Partei, die SED, nicht nur nicht verboten wurde, sondern ihr nicht einmal das milliardenschwere Parteivermögen entzogen wurde. Dies hielt man, so sieht Lengsfeld es heute, damals für nicht erforderlich, weil kaum jemand an das Überleben, geschweige denn den Wiederaufstieg einer Partei glauben konnte, die für die horrende Umweltverschmutzung in der „DDR“, die Unfreiheit und die gnadenlose Verfolgung politisch Andersdenkender und vieles mehr voll verantwortlich war. Spätestens als Genosse Gregor Gysi auf dem letzten SED-Parteitag im Dezember 1989 die Genossen von der eigentlich anstehenden Parteiauflösung erfolgreich abhielt, weil dann das Parteivermögen an den Staat gefallen wäre, hätten die Bürgerrechtler aufstehen und protestieren müssen, meint Lengsfeld heute. Doch damals blieb man sitzen.

DDR-Bürger zu Bürgern zweiter Klasse degradiert

In den Folgejahren verstanden es die Vertreter der „Nach-SED“ recht geschickt, die in den neuen Bundesländern nach vier Jahrzehnten „DDR“-Mißwirtschaft unvermeidbaren wirtschaftlichen Einbrüche, angeblichen „Fehlern“ des Vereinigungsprozesses anzulasten. Gewiß lief nicht alles optimal. Doch das Grundproblem waren stets die Folgen einer sozialistischen Mißwirtschaft. Daß dies zunehmend auch von den westdeutschen Medien „übersehen“ wurde, mußte man wohl den auch schon damals überwiegend linkslastigen Redakteuren zuschreiben. Neben Berichten über die Wirtschaftsprobleme in den neuen Ländern fand sich dann recht schnell auch immer wieder die Anklage, daß die ehemaligen „DDR“-Bürger zu Bürgern der zweiten Klasse degradiert seien. Daß sie dies tatsächlich und ausschließlich vor der Wiedervereinigung waren – als Bürger ohne Reisefreiheit und von der Wiege bis zur Bahre gegängelt –, darüber wurde kaum mehr gesprochen oder geschrieben.

Gregor Gysi wurde Liebling vieler Medien

In den Folgejahren wurde die von Gysi geleitete SED-Folgeorganisation zu einem regelrechten „Liebling“ vieler Redakteure. Obwohl er nur Vorsitzender einer im Vergleich zur SPD oder der Union kleinen Partei war, sah man ihn damals in z.B. Fernseh-Talkshows so oft wie kaum einen anderen. Lengsfeld weiß heute zu berichten, daß es sogar eine Liste von „Gegen-Gästen“ gegeben habe, mit denen Gysi nicht öffentlich diskutieren wollte. Auf dieser Liste fanden sich angeblich Namen wie der von Arnold Vaatz, Bärbel Bohley, Angelika Barbe, Hubertus Knabe und natürlich auch der von Frau Lengsfeld.

CDU/CSU kämpfte noch in den 1990er gegen die SEDPDS

Während die Union in den 1990er Jahren noch die letzte politische Kraft war, die verläßlich gegen die SEDPDS „kämpfte“ (die SPD „tolerierte“ in Sachsen-Anhalt bereits 1994 eine Regierungsbeteiligung der PDS), ist aktuell auch davon nichts mehr zu spüren, meint die frühere Bürgerrechtlerin. Heute toleriert die CDU im Thüringer Landtag eine Minderheitsregierung unter Führung der SED-Linken. Und Ministerpräsident Bodo Ramelow kam erst wieder erneut in dieses Amt, nachdem die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel aus dem fernen Südafrika befand, daß eine anderslautende Wahl „rückgängig“ zu machen sei …

Lengsfeld: Lehren aus zwei deutschen Diktaturen wurden nicht gezogen

Lengsfeld beklagt, und dies ganz zu Recht, daß man die entscheidenden Lehren aus zwei deutschen Diktaturen in nur einem Jahrhundert nicht gezogen habe: Entscheidend für die Errichtung und die Erhal tung dieser totalitären Systeme waren stets die gleichen Punkte: Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Ausgrenzung und Stigmatisierung Andersdenkender und die Entwicklung einer eigenen Herrschaftssprache. Heute lauten diese Begriffe zwar „alternativlos“, „einstimmige Wissenschaftlermeinung“, „gender gerechte Sprache“, „Diffamierung Andersdenkender“ und so weiter und so fort. Es klingt zwar manches heimeliger und versöhnlicher als noch im „Dritten Reich“ oder der „DDR“ – doch der im Kern menschenverachtende Hintergrund ist nicht völlig verschwunden, meint auch der Verfasser dieser Zeilen.

Volksparteien haben Ideologie von SED-PDS-Linkspartei übernommen

Inzwischen, so wieder Frau Lengsfeld, haben die sogenannten „Volksparteien“ CDU/CSU und SPD längst Teile des zerstörerischen Werks der SED-PDS-Linkspartei übernommen. Es ist eine von immer radikaleren grünen Forderungen vorangetriebene Dekonstruktion der deutschen Wirtschaft zu beobachten. Das angestrebte Verbot von Diesel- und dann gleich allen Verbrennungsmotoren bei neu zugelassenen Fahrzeugen und eine nahezu kritiklose Vergötterung Akku-elektrisch angetriebener Fahrzeuge basieren vorurteilsfrei zu Ende gedacht ganz offensichtlich weniger auf Umweltschutzgedanken als vielmehr auf dem Wunsch, einer ganzen Gesellschaft diktieren zu können, wohin die Reise gehen soll. Früher hätte man von dem Weg in eine Kommandowirtschaft gesprochen, der sich schon mehr als einmal als Sackgasse erwies. Heute meinen die Gutmenschen, daß genau daran die Welt genesen könne.

Deutschland 30 Jahre nach Wiedervereinigung: tief gespalten

Im 30. Jahr zeigt sich das wiedervereinigte Deutschland tief gespalten, meint Frau Lengsfeld. Die Spaltung selbst, der durch die Gesellschaft gehende Riss, ist dabei aber nicht das Hauptproblem. Verschiedene, auch bis ins Extreme gehende Meinungen sind schließlich ein Kennzeichen jeder halbwegs freien Gesellschaft. Das aktuelle Problem ist, daß diejenigen, die sich auf der „richtigen“ Seite und der Mehrheit wähnen, kaum mehr bereit sind, sich die Argumente Andersdenkender – seien sie richtig oder falsch – anzuhören. Man betreibt stattdessen Ausgrenzung um beinahe jeden Preis. So bleibt auch 30 Jahre nach dem Ende der „DDR“ noch viel zu tun im wiedervereinigten Deutschland! (tb)


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