Wann werden die Westeuropäer wieder erwachsen?

von , 02.11.2019, 20:46 Uhr

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2016 mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vereinbarte, daß dieser für ein paar Milliarden (!) Euro eine illegale Einwanderung in die Europäische Union via Türkei verhindert, warnten alsbald ein paar angebliche „Kleingeister“ vor dieser Abmachung. Schon jetzt zeigt sich, daß sie Recht hatten: Die von der Türkei in dieser „Flüchtlingsfrage“ weitgehend abhängige EU muß nun hilf- und tatenlos zusehen, wie Erdogan die von ihm verhassten Kurden bekriegt und wie – gewissermaßen als Kollateralschaden – dabei auch noch potentiell gewalttätige IS-Kämpfer freikommen.

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EU macht sich mit Mirgrationspolitik erpressbar

Daß die EU sich (nicht nur in diesem Fall) derartig erpressbar machte, führen immer mehr kritische Beobachter auf eine inzwischen weitgehende Unfähigkeit der europäischen Demokratien zurück, selbst existentielle Probleme zu lösen, wenn damit auch nur der geringste Schmerz oder gar „häßliche Bilder“ einhergehen sollten. Und dies gilt nicht nur, das sei der guten Ordnung halber gesagt, alleine im Bereich der Migrationspolitik, sondern auch in der Wirtschaftspolitik oder anderen Bereichen wie z.B. der Sozialpolitik. Aus genau diesem Grund war Europa im Jahr 2015 unfähig, die zuweilen leider „dreckige“ Arbeit des konsequenten Schutzes der EU-Außengrenze (etwa nach dem Vorbild Australiens) durchzuführen.

Man kann dies als beinahe kindliche Verweigerungshaltung in Folge des jahrzehntelangen Wohlstandes in Rundum-Versorgungsstaaten beschreiben. Denn eines steht fest: Die Abmachung mit der Türkei war von Anfang an nur eine Scheinlösung, und jetzt wird die Rechnung präsentiert. Die Kurden zahlen bereits mit ihrem Blut, die Europäer dürften später – und dann hoffentlich wieder „nur“ in Euro – zur Kasse gebeten werden.

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Probleme werden in die Zukunft abgeschoben

Es ist immer dasselbe: Statt einen kurzzeitigen Schmerz auszuhalten, den im Interesse der Zukunftsfähigkeit erforderliche Reformen mit sich bringen können, wird mit eigentlich nicht vorhandenem Geld die kleinste Zumutung vermieden. Statt jetzt einmal Kopfschmerzen zu erleiden, riskiert man lieber den späteren Zusammenbruch. Interessant ist, daß diese Attitüde derzeit in Westeuropa ungleich stärker ausgeprägt ist als in dessen Osten. Manche Beobachter führen dies auf die im Westen deutlich längere „Wohlstandsgeschichte“ zurück. Grenzzäune und eine solide Finanzpolitik mit niedrigen Steuern treffen wohl auch deshalb im Osten auf regelmäßig bessere Akzeptanz als im Westen. In den dort noch jungen Demokratien verhält man sich in dieser Hinsicht oft erwachsener als z.B. in Rom, London, Paris oder auch Berlin. Vielleicht sollte man dort und andernorts ein paar „Nachhilfestunden“ nehmen. (tb)


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