Afrikas Demographiebombe tickt noch immer

von , 01.07.2019, 10:24 Uhr

Wenn über den vom afrikanischen Kontinent ausgehenden Migrationsdruck gesprochen wird, fällt als vordergründiger Lösungsvorschlag immer wieder schnell die Floskel „Fluchtgründe beseitigen“. Dabei fehlt aber meistens die Feststellung, daß es sich in den meisten Fällen nicht um eine Flucht im eigentlichen Sinne handelt, sondern um Wirtschaftsmigration, wie sie noch im letzten Jahrhundert auch aus einigen deutschen Regionen heraus erfolgte. Es wäre also angeraten, zunächst die tatsächlichen Migrationsgründe zu eruieren und erst dann über mögliche Abhilfe nachzudenken.

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Bis 2050 Bevölkerungsverdoppelung

In einer kürzlichen Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung wird in diesem Zusammenhang ganz offen von einer afrikanischen „Armutsfalle“ gesprochen, ohne deren Beseitigung der Migrationsdruck kaum nachlassen wird. Es sind vor allem hohe Fertilitätsraten – in manchen afrikanischen Ländern gibt es im Durchschnitt bis zu acht Kinder je Frau –, die bis zum Jahr 2050 eine Verdoppelung der Bevölkerungszahl erwarten lassen. Es ist mithin ein Bevölkerungswachstum, mit dem die Steigerung der Wirtschaftsleistung (die in machen afrikanischen Staaten ein durchaus hohes, weit über dem europäischen Durchschnitt liegendes Niveau aufweist) nicht Schritt halten kann. Derzeit drängen schließlich jedes Jahr 10 bis 12 Millionen Afrikaner neu auf den Arbeitsmarkt, denen „nur“ etwa 3 Millionen neue Stellen gegenüberstehen.

2 Billionen USD Entwicklungshilfe

Und einer weiteren Stimulierung der Wirtschaftsleistung durch ausländische Direktinvestitionen steht in vielen afrikanischen Ländern eine durch lokale Konflikte, Korruption und Vetternwirtschaft erzeugte Rechtsunsicherheit ebenso entgegen wie eine Entwicklungshilfe, die in vielen Fällen nicht zur Selbsthilfe anregt, sondern alte Abhängigkeiten zementiert und sogar noch neue schafft. Dies sieht auch der anerkannte afrikanische Ökonom James Shikwati so, laut dem die umgerechnet 2 Billionen US-Dollar, die in den letzten 55 Jahren nach Afrika flossen, insgesamt „mehr Schlechtes als Gutes“ bewirkt hätten.

Chinesisches statt europäisches Modell

In Afrika ist indes auch China aktiv, allerdings mit einem anderen System. Statt letzten Endes verlorene Zuschüsse zu zahlen, investiert Peking in Afrika stets unter der Maßgabe, daß die Investitionen auch zurückgezahlt werden. Nach verbreiteter Expertenauffassung ist diese Hilfe zur Selbsthilfe weitaus effektiver als das „europäische Modell“. Um die Lage wirklich zum Besseren zu wenden, müßten schließlich auch große Teile der afrikanischen Elite umdenken. Sie müßten ein für Investitionen freundlicheres Umfeld schaffen und stark in das Gesundheits- und Bildungswesen investieren.

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Erst dann, da sind sich die meisten Fachleute einig, können wirksame Maßnahmen zur Geburtensenkung ergriffen werden. Es gibt hier zwar erste Erfolgsbeispiele (z.B. Äthiopien, Tunesien, Botswana, Marokko, Ghana, Kenia oder der Senegal), wo die Geburtenraten teilweise schon auf „4“ halbiert wurden. Doch das reicht noch lange nicht aus. Die Migrationsgründe muß Afrika selbst beseitigen. Europa kann dabei nur helfen, indem es am besten Hilfe zur Selbsthilfe anbietet! (tb)


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